Gesunde Tiere – gesunde Menschen

Menschen reisen heute in wenigen Stunden um den Globus. Und mit ihnen gefährliche Krankheitserreger. Bakterien und Viren sind aber nicht nur blinde Passagiere in Flugzeugen und Schiffen – auch Tiere verbreiten sie rund um die Welt. Das ist häufig kein Problem für die Tiere selbst, aber für den Menschen sind einige diese Erreger eine große Gefahr. Viele tödliche Infektionen wie Ebola, HIV oder die Grippe stammen nämlich ursprünglich von Tieren. Leben Mensch und Tier in engem Kontakt, können die Keime leicht auf den Menschen überspringen. Gerade in Asien oder Afrika leben Mensch und Tier eng zusammen, oft sogar im selben Raum. Solche Fälle sind sie besonders gefährlich und lösen oft tödliche Krankheitssymptome aus.

Als Begleiter von Zugvögeln, Meerestieren oder Huftieren legen die Erreger häufig tausende von Kilometern zurück. Sie können direkt den Menschen infizieren, wahrscheinlicher ist aber eine Übertragung auf Haustiere, denn an die domestizierten Verwandten seines ursprünglichen Wirts sind Viren und Bakterien gut angepasst. Von den Haustieren können sie dann leicht zum Menschen wechseln.

Schon seit einigen Jahren berechnen Wissenschaftler mit Computermodellen die Ausbreitung von Epidemien anhand des globalen Luftverkehrsnetzes. Aber nicht nur die Reiserouten des Menschen spielen bei der Verbreitung von Krankheiten eine Rolle, die Bewegungen der Tiere werden ebenfalls für die Prognose von Epidemien immer wichtiger.

H5N1

So hat beispielsweise ein internationales Forscherteam in den Jahren zwischen 2005 und 2010 die Ausbrüche des auch für den Menschen gefährlichen Vogelgrippe-Virus H5N1 unter Wild- und Hausvögeln untersucht und mit den Flugrouten zweier Vogelarten verglichen. Die Wissenschaftler verfolgten die Flugrouten der Streifengans (Anser indicus) und der Brandgans (Tadorna tadorna) mithilfe von GPS-Sendern. Demnach fliegen die Wasservögel zusammen mit vielen anderen Arten von Indien und Bangladesch Richtung Norden über Tibet und China bis in die Mongolei. Auf dieser Flugroute lagen im untersuchten Zeitraum auch die meisten Ausbrüche unter Hausgeflügel in Südasien. Den Ergebnissen zufolge könnten die Streifen- und die Brandgans manche Virenstämme von einem beliebten Vogelrastplatz in Zentralchina in die Mongolei transportieren.

Die Wissenschaftler vermuten, dass sich die Brandgans in ihren Überwinterungsgebieten in Bangladesch bei Hausgeflügel ansteckt. Die Streifengans kommt dagegen vor allem in der tibetanischen Hauptstadt Lhasa mit dem H5N1-Erreger in Kontakt und bringt ihn von dort mit nach China. Die Studie zeigt also, wo sich die Wildvögel wahrscheinlich anstecken und wo folglich der Kontakt zwischen Wild- und Nutztieren verhindert werden sollte. Dieser Kontakt entsteht vor allem dadurch, dass Hausgeflügel auf abgeerntete Reisfelder oder in Sumpfgebiete zum Grasen getrieben wird und dabei zwangsläufig mit ihren wilden Verwandten in Berührung kommt.

Die Vogelgrippe grassiert aber nicht nur in Asien: Im Winter 2005/2006 fielen auch in Europa Wildvögel dem Virus zum Opfer. Wahrscheinlich haben die außergewöhnlich tiefen Temperaturen dieses Winters die Ansteckungsgefahr erhöht, denn dann rücken Wasservögel besonders eng zusammen. Auf welchem Weg aber der Erreger aber aus Asien nach Europa gekommen ist und wer ihn dorthin gebracht hat, ist bis heute unklar.

Icarus soll nun helfen, die Flugrouten weiterer Vogelarten und damit die Verbreitungswege der Viren aufzudecken. Am Icarus-Projekt beteiligte Wissenschaftler wollen beispielsweise in Sibirien Spieß- (Anas acuta) und Stockenten (Anas platyrhynchos) mit Sendern versehen und auf ihren Flügen in ihre Winterquartiere im tropischen Afrika, Indien und Südostasien beobachten. Die so gewonnenen Erkenntnisse enthüllen nicht nur die Routen von Infektionskrankheiten, sondern auch die Ausbreitung Antibiotika-resistenter Bakterien. Wildenten übernehmen nämlich leicht Antibiotika-resistente Bakterien von ihren Verwandten in der Geflügelzucht.

Flughunde

Welche Rolle Fledermäuse bei der Entstehung von Zoonosen spielen, ist noch unklar. Das komplexe Zusammenspiel zwischen Fledermäusen, Viren und anderen Wildtieren sowie die Auswirkungen menschlicher Eingriffe in intakte Ökosysteme ist schwer zu entwirren. Durch die Analyse von Tierbewegungen können Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen herausfinden, ob und wo Fledermäuse mit Viren und anderen Wildtieren in Kontakt kommen und welche Rolle sie für die Ausbreitung von Viren und die Übertragung von Krankheiten spielen. Mit Icarus können Forschende die die Flughunde während ihres gesamten Migrationszyklus verfolgen und dadurch neue Schlafplätze identifizieren und ihren Ressourcenbedarf abschätzen.

Mit dem Wissen über Tiere und ihre Wanderungen lässt sich also die Gesundheit von Millionen von Menschen weltweit schützen. Dazu müssen Forscher aber noch mehr über das Verhalten und die Routen unterschiedlichster Arten Bescheid wissen. Dies gelingt nur mit einem globalen Satelliten-gestützten System wie Icarus, das tausende Tiere mithilfe von Sendern beobachten und die Daten in Echtzeit analysieren kann.

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